Eine himmlische Weihnachtsgeschichte
Nach dem Fest
Das Weihnachtsfest des letzten Jahres war vorbei. Die Familie Staude hatte mal wieder einiges erlebt.
Nach dem die Familie das Fest, für ihre Verhältnisse recht friedlich verbracht hatte, waren Oma und Opa abgereist.
Vater Arno, der immer froh war, wenn Oma wieder abgereist war, atmete auch diesmal tief durch.
Er wusste, dass er bis Sommer vor ihr Ruhe hatte. Denn dann hatte Oma die ganze Familie zu sich
eingeladen. Allerdings gab es da ein Problem. Oma hatte wie so oft versucht, die schon seit einigen Jahren in der
Familie lebende Gans Staude umzubringen. Glücklicher Weise war ihr das wieder nicht gelungen.
Aber natürlich war Staude nicht eingeladen. Arno hatte sich im letzten Jahr um den Besuch bei Oma
drücken können. Es fand sich in der Umgebung einfach keine Gänsepension. Darauf hoffte er auch
dieses Jahr. Außerdem gab es ja nun seit dem Weihnachtsfest auch einen Hund in der Familie. Stromer, alle
hatten ihn sofort in sein Herz geschlossen. „Dieses Jahr kann ich leider wieder nicht mit zu deiner
Mutter.“, sagte Arno mit deutlich gespieltem Bedauern zu seiner Frau Christa. „Einer muss ja jetzt
auch auf Stromer aufpassen.“, bei diesen Worten kraulte er mit der rechten Hand den Hund, mit der
Linken die Gans. „Das könnte dir so passen!“, entgegnete Christa. „Wir haben vier Kinder. Einer von denen kann
schon auf die Tiere aufpassen.“ Bei dem Gedanken wurde Arno unwohl. Da war der älteste Sohn
Malte. Ein wahrer Taugenichts. Er studierte noch immer. Irgendwelche Ergebnisse hatte er noch nie
vorgelegt. Aber Oma unterstütze ihn finanziell weiter und so lebte er weiter vor sich hin. Arno wollte
nicht, dass er auf die Tiere aufpasst. Dann war da die Tochter Sabine. Diese lebte mit ihrem Freund
Chris nun wieder in der Gegend. Womit die beiden ihren Lebensunterhalt bestreiten wollten, war
unklar. Arno bemerkte nur, dass Christa mehr einkaufte und der Kühlschrank dennoch immer leer
war. Auch Tochter Anna kam für ihn nicht in Betracht. Sie verbrachte die Zeit damit, sich mit allen
möglichen Jungs zu treffen. Sie würde es nicht schaffen, sich um die Tiere zu kümmern, da war sich
Arno sicher. Dann war da noch Sohn Alex. Ein Eierkopf wie er im Buche stand. Alex bereite sich auf
das Abitur vor, das erst in zwei Jahren anstand. Aber auch ihm wollte er die Tiere nicht
anvertrauen.
Im März, der Baum wie immer?
Es war März geworden. „Arno, wir müssen das Weihnachtsfest planen.“, sagte Christa zu ihrem
Mann. Er schaute sich hilfesuchend um. Anna und Malte waren im Raum. Doch Anna war zu clever.
„Ich muss los.“, zwitschert sie und verließ den Raum. Sie wusste, dass eine solche Aussage mit
Arbeit verbunden war. Malte war träge wie immer. Dadurch konnte er sich nicht mehr drücken.
Arno und er wussten, was nun geschehen würde. Wie immer würde sie die beiden auffordern, einen
Baum in einer Schonung auszusuchen. Dieser würde dann in dem Verschlag im Garten eingepflanzt
werden. Und Christa würde ihn pflegen, damit er am Heiligen Abend in voller Pracht in der Stube
stehen würde. Dann würde Christa noch große Mengen an Spaghetti und Soße kaufen und hoffen,
dass es ordentlich schneien würde und die ganze Familie am Heiligen Abend zusammenkommen
würde. Doch es kam anders. Ganz anders. So anders, dass Arno Schnappatmung bekam und Malte vor
Schreck herzhaft aufstoßen musste. Es kam so anders, dass sofort eine Familienkonferenz einberufen wurde.
„Dieses Jahr feiern wir Weihnachten ganz anders.“ Jeder für sich und am 1. Weihnachtstag können
wir uns in einer Gaststätte treffen.“ Diese Worte waren es, die zur Konferenz führten. Alle wurden
herbeigerufen. Anna war noch im Hausflur und konnte zurückgerufen werden. Alex war in seinem
Zimmer und wollte per Videokonferenz zugeschaltet werden. Malte sorgte kurz entschlossen und mit
überzeugenden Mitteln dafür, dass er dieses Ansinnen aufgab. Sabine wurde angerufen und als sie,
mit Chris vor der Tür stand, schloss Arno die Tür so schnell, dass diese vor Chris wieder ins Schloss
fiel. Das Klopfen gegen die Tür ignorierte er. Chris fügte sich in sein Schicksal, setze sich in den
tiefergelegten Golf, der neu war und hörte Musik. „Ein einfacher Mensch.“, dachte Arno.
Revolution
„Ich habe dieses Jahr keine Lust, das Fest so zu feiern, wie in den letzten Jahren. Auch wenn es am
Ende immer gut gegangen war. Den ganzen Stress möchte ich nicht mehr haben.“, mit diesen
Worten begann Christa und führte dann fort, „Dieses Jahr verbringen wir das Fest ganz anders. Wir
treffen uns am 2. Advent. Dann ist auch Nikolaus. Dazu lade ich Oma und Opa ein. Wir gehen schön
essen, tauschen die Geschenke aus und den Heiligen Abend verbringen wir jeder für uns. Und so
einen großen Baum wie sonst, brauchen wir auch nicht.“ Stille im Raum. Einen solchen Vorschlag
hätte keiner von Christa erwartet. Wirklich keiner. „Wir brauchen keinen Baum zu besorgen!“,
rätselte Malte. „Wir gehen nicht gemeinsam einkaufen!“, sinnierte Sabine. Sie hatte sich auf den
Einkauf gefreut und bereits vorbereitet. Immerhin würde sie dabei auch viel für sich selbst
einkaufen können. „Nun ja, ich bin eh nicht da.“, sagte Anna. Sie hatte vor, am Heiligen Abend in
den Skiurlaub aufzubrechen. Ein Schulausflug. Sie freute sich schon auf den jungen Referendar.
Alex sagte nichts. Er war damit aber auch nicht wirklich einverstanden. Eine richtige Meinung hatte
er aber noch nicht. Also twitterte er die Nachricht erst einmal in die Welt.
Christa ergriff erneut das Wort: „Eben Anna, du bist eh nicht da. Sabine, du und Chris könnt ja auch
mal zu seinen Eltern, oder zu Oma und Opa. Die würden sich auch sehr freuen. Alex, na ja, du bist ja
bei uns. Und du Malte, du ziehst immer im Herbst doch eh aus. Wer weiß, ob du dann überhaupt
Lust hast, zu uns zu kommen.“ Das stimme. Malte wollte tatsächlich im Oktober ausziehen. In eine
- Mit anderen Studenten zusammen. Arno befürchtete, dass er dann gar nichts mehr machen
würde. Er war aber traurig, dass er ausziehen wollte. Er freute sich immer, wenn er mit Malte und
dessen Freunde Fußball schauen konnte und dabei einige Bier trinken konnte.
„Und was sagte deine Mutter dazu?“, fragte Arno. „Die ist einverstanden.“, entgegnete sie.
Sie hatte den Entschluss tatsächlich gefasst.
Keine Vorbereitungen
Staude, die Hausgans, war verwirrt. Sie hatte in der Familie schon einiges mitbekommen. Sie
wusste, dass immer ein Baum im Garten angepflanzt wurde. Doch der eingezäunte Platz, in dem
dieser Baum immer eingesetzt wurde, blieb leer. Staude schaute jeden Morgen nach, ob sich das
geändert hatte, doch der Platz blieb leer. Stromer, der Hund der Familie, fühlte sich pudelwohl. Er
verstand sich prächtig mit Staude und die beiden ergänzten sich so gut, dass Christa im
Frühsommer beschloss, einen Hundetrainer in das Haus zu holen. Die beiden stellten wirklich eine
Menge Unfug an. Also kam der Hundetrainer. Nach zehn Stunden bemerkte Arno, dass der Trainer keine Ahnung von
Gänsen hatte. Nach 15 Stunden warf er den Trainer raus. Er und auch Christa hatten das Gefühl,
dass es sogar noch schlimmer wurde. Mittlerweile konnten die beiden die Tür zur Speisekammer
öffnen und leerten diese regelmäßig aus. Zunächst glaubte Christa, dass Malte verantwortlich war.
Doch nachdem Alex eine Überwachungskamera installiert hatte und auf dem Band eindeutig zu
erkennen war, dass die beiden in Bremer Stadtmusikantenmanier in die Speisekammer eingedrungen
waren, wurde der Zugang zur Speisekammer mit einem modernen Zugangssystem mit
Fingerabdruck gesichert. Arno konnte sich dabei nicht durchsetzen, dass Sabine und Malte keinen
Zutritt bekamen. Er allerdings nahm Stromer und Staude manchmal mit in das Schlaraffenland.
Oma, Thüringen und zurück
Die Sommerreise zu Oma und Opa stand an. Erst kurz vorher hatte Christa es geschafft, eine
Tierpension zu finden, die bereit war, sowohl Stromer als auch Staude aufzunehmen. Die beiden
wurden in einer Box untergebracht. Und wenn es während der Zeit ein anderer Hund versuchte,
sich dem Leckerbissen auf zwei Watschelfüßen zu nähern, dann zeigte Stromer diesem sehr schnell,
dass er sein Handwerk als Straßenköter auf Gran Canaria gelernt hatte. Allerdings hatte Arno
vorher noch einmal in der Tierpension überprüft, dass Oma keinen speziell auf Gänse trainierten
Kampfhund in der Pension untergebracht hatte. Da alles in Ordnung war, machte sich die Familie
auf zu Oma und Opa. Dort angekommen verbrachten alle einen entspannten Urlaub. Arno, Malte und Opa verbrachten viel
Zeit in den örtlichen Kneipen. Sabine und Chris, Arno hatte keine Ahnung, warum der dabei war,
kümmerten sich hingebungsvoll um ihre Geldgeberin. Anna kümmerte sich hingebungsvoll um die
örtlichen jungen Männer. Alex kümmerte sich hingebungsvoll um den Ausbau eines besonders
gesicherten Internetnetzwerkes.
Ein paar Tage vor der Abreise machten Christa und Arno einen Spaziergang. In dem Ort war
Sperrmüll. „Ach herrje!“, rief Christa plötzlich aus. Arno erschrak. „Wir haben gar keinen
Weihnachtsaumständer für einen kleinen Baum.“ Das stimmte. Seit Jahren war der Baum riesig. Ein
kleiner Baum würde darin nicht halten. „Weißt Du was?“, entgegnete Arno, „wir reisen einfach früher ab und fahren
noch nach Thüringen in ein Weihnachtsdorf. Dort können wir dann einen kaufen.“ Arno wusste auch, dass
Christa gerne mal in so ein Weihnachtsdorf fahren würde. Ihn lockte die Chance, schon eher von seiner
Schwiegermutter abzureisen. Für ihn erfreulicherweise war Christa damit einverstanden. Die
Kinder, bis auf Alex, jedoch wollten nicht mit. Sie quetschten sich bei Chris in den Golf und fuhren
nach Hause. Gerade als die losfahren wollten, schob Arno seinen Sohn Alex noch in das Auto. Ihn
allein wollte er nicht dabei haben. Alex protestierte. Doch Malte erstickte die Proteste und das Auto
fuhr ab. Arno und Christa fuhren bequem und kommod im neuen Familienkombi nach Thüringen. Im
Weihnachtsdorf angekommen schaute sich Christa alles genau an. Sie war begeistert. Auch kaufte
sie eine Menge neues Dekomaterial. Das Haus musste auch in diesem Jahr festlich geschmückt sein.
Das war ihr wichtig. Doch bei dem Anblick von den Weihnachtsartikeln kam sie doch ins Grübeln, ob
ihre Entscheidung richtig war. Doch hatte sie sich entschieden. Sie wollte einfach mal ein Fest ohne
Stress und ohne Überraschungen. Also kauften sie einen Weihnachtsbaumständer und fuhren nach
Hause.
Malte zieht aus
Im Oktober war es tatsächlich so weit. Malte packte seine Habseligkeiten und zog in eine WG.
Eigentlich wollte er das gar nicht mehr. Im Sommer hatte er endlich einmal Glück gehabt. Er konnte
wirklich bei seiner Traumfrau landen. Schon freute er sich darauf, endlich in seine eigene Bude zu
ziehen. Doch die Freude hielt nicht lange an. Seine Traumfrau gab sich einen anderen hin. Lust auf
das Studium hatte er nun gar nicht mehr. Er war fix und fertig. Die ihm sonst innewohnende
Lebensfreude war erst einmal verflogen. So richtig verstanden hat er das alles nicht. Aber der
Mietvertrag war unterschrieben, also zog er um. Allerdings glaubte keiner so richtig daran, dass
dieses ein dauerhafter Zustand sein würde.
Als Alex anmerkte, dass er ja jetzt Maltes Zimmer mi benutzen könnte, lachten Arno und auch
Christa laut auf. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass Malte es dort lange aushält.“, prustete Arno
heraus. Auch Staude schnatterte laut los und selbst Stromer bellte vergnügt. Die beiden hofften
sehr, dass Malte bald wiederkommen würde. Immer wenn er nachts nach Hause kam, hatte er
Leckerli für die beiden zur Hand. Darauf wollten die beiden nicht lange verzichten.
Vorbereitung auf Nikolaus
Das Haus war festlich geschmückt. Arno und Malte, der oft am Wochenende zu Hause war und auch
Chris hatten auf Christas Geheiß eine Unmenge von Lichterketten rund um das Haus angebracht.
Auch Alex wollte mithelfen. Doch er war einfach ungeschickt. „Nimm du bitte die Fußbank.“, wies
ihn sein Vater ein. Arno wusste genau wie ungeschickt er war. Und tatsächlich. Alex stellte sich auf
Fußbank. Er hatte eine Lichterkette in der Hand und wollte diese in die etwa drei Meter hohe Tanne
vor dem Haus anbringen. Die Tanne stand ziemlich nah an dem Eingang zu der großen Diele. In der
Diele stand noch ein alter Bollerofen, der seit Jahren nicht mehr im Betrieb war, da er eine solch
ungeheure Wärme abgab. Gerade als er die erste Kerze an einen Zweig steckte, kippte er nach
vorne und fiel in die Tanne.
Die anderen unterbrachen ihre Arbeiten und kamen ihm zur Hilfe. Malte war als erstes dort. Er
schaute in die Tanne und lachte laut auf. „Das gibt’s doch gar nicht! So was kann nur dir passieren!“
Er lachte noch lauter. Der Anblick war aber auch kaum zu beschreiben. Alex hatte seinen Körper in
einer nicht nachvollziehbaren Art in den Baum eingewickelt. Arno kam hinzu. Auch er prustete los.
Chris wollte den starken Mann spielen und zog heftig an Alex. Das funktionierte aber nicht. Außer
das ihm Schürfwunden zugefügt wurden. Arno unterband weitere Rettungsversuche und schickte
Malte los, eine Säge zu holen. Malte kam mit Arnos Kettensäge wieder. Arno schüttelte den Kopf
und schickte ihn noch einmal los. Nun kam er mit einer Handsäge wieder und sie machten sich an
die Befreiungsaktion. Nach dem er befreit war, ließ er sich im Haus aufwändig behandeln. Malte
brachte die Lichterkette in der Tanne an. Auch die anderen Dekoartikel wurden angebracht und die
drei vergaßen, dass sie den Stamm der Tanne bei der Rettung fast durchtrennt hatten.
Nikolaus
Zum Zweiten Advent und gleichzeitig Nikolaus war die gesamte Familie gekommen.
Vorher hatte es, wie auf Bestellung, geschneit. Das Haus und all die Lichter strahlten dadurch noch
heller und schöner.
„Wie schön, dass alle da sind. Kommt, wir tauschen jetzt die Geschenke aus und dann gehen wir
schön essen.“, begrüßte Christa alle. „Und nach dem Essen trinken wir bei uns noch etwas.“,
ergänzte Arno, „schließlich müsst Ihr doch alle das schön geschmückte Haus betrachten.“ Christa
hatte ihm das vorgegeben. Er selbst überlegte, ob er mit den Stadtwerken verhandeln sollte. Den
nachdem die Lichterketten angeschaltet waren, hatte das Stadtwerk tatsächlich die Straßenlaternen
vor dem Haus abgeschaltet. Es war einfach hell genug.
Ziemlich schwierig war es, ein geeignetes Restaurant zu finden. Auch wenn es auf erheblichen
Widerstand von Oma traf, sollten die Haustiere natürlich mitkommen.
Oma, die es nicht verstehen konnte, dass eine Gans in einem Haushalt leben konnte, wollte Staude
am liebsten im Bräter sehen. Deshalb wurde sie direkt bei der Ankunft genau durchsucht. Zwei
Messer und ein Fläschchen mit einer unbekannten Flüssigkeit wurden ihr abgenommen.
Christa hatte ein Restaurant gefunden. Es war eine Gaststube in einem ehemaligen Bauernhaus.
Dort gab es einen Streichelzoo und die Tiere durften auch in das Restaurant. Also hatten die Wirte
auch nichts dagegen, dass Staude mit kam. Dass die Familie eine Anreise von zwei Stunden in Kauf
nahm, war für alle, bis auf Oma, kein Problem.
Es war ein schönes Essen. Auch wenn fast alle ihr mittlerweile traditionelles Weihnachtsessen,
Spaghetti mit Soße, vermissten. Doch das stand nicht auf der Karte. Und als Oma demonstrativ
Gänsekeule bestand, war diese natürlich nicht zu haben. Dafür hatte Arno vorher gesorgt.
Nach dem die Familie den Abend noch recht harmonisch zusammen verbracht hatte, gingen alle
auseinander. Malte öffnete den Umschlag von Oma natürlich sofort und das liebevoll gedachte
Geldgeschenk wurde noch in den nächsten Tagen aufgebraucht. Er hoffte inständig, dass er zu
Weihnachten noch eine weitere Karte, samt Inhalt, von Oma erhalten würde.
Oma und Opa blieben noch über Nacht. Selbstverständlich in einem Hotel. Unter einem Dach zu
schlafen mit einer Hausgans, das kam für Oma nicht in Frage.
Der Heilige Abend naht
Da Christa in den letzten Jahren immer dafür gesorgt hatte, dass der Weihnachtsbaum bereits im
März ausgesucht wurde, machte sich der Betreiber der Tannenbaumschonung ernsthafte Sorgen um
die Familie Staude. Am 17. Dezember rief er bei Staudes an und fragte besorgt, ob es ihnen denn
gut gehen würde. „Ja, ja, bei uns ist alles in Ordnung.“, antwortete Christa. „Nun gut. Wenn sie noch
einen Baum benötigen. Ich habe einen für sie reserviert.“, antwortete der Baummann und legte auf.
Ihm war klar, dass diesen reservierten Baum sowieso niemand anders nehmen würde. So einen
großen Baum wollte sich keine andere Familie in die Stube stellen.
Christa war nach dem Telefonat jedoch nachdenklich. War es wirklich richtig, dieses Jahr so anders
zu feiern? Würde sie es nicht vermissen? Würde sie nicht auch die ganzen Aufregungen vermissen,
die sonst am Heiligen Fest immer geschahen? Christa war sich nun doch sehr unsicher. Aber ein
Zurück gab es nun nicht mehr.
Also kaufte sie für sich, Arno und Alex ein Weihnachtsessen ein. Eigentlich wollte sie doch Nudeln
kaufen, aber als sie vor dem Regal stand, konnte sie sich nicht überwinden. Also kaufte sich feines
Steakfleisch ein. Selbstverständlich kaufte sie auch eine Portion für Sabine und Chris. Sie wusste,
dass die beiden sich nichts besonders kaufen konnten. Ein schönes Steak bekam auch Malte. Ihr war
klar, dass er dieses nicht bis zum Heiligen Abend aufbewahren würde. Heimlich hatte sie einen Blick
in den Kühlschrank der WG geworfen. Sie sollte Recht behalten.
Der 23. Dezember
Ein Hilferuf ereilte Oma und Opa. Der Hilferuf kam von Sabine. Der Vermieter ihrer Wohnung,
natürlich viel zu groß und viel zu teuer, hatte ihr und Chris gekündigt. Der Vermieter war sehr
hemdsärmlig und warf die beiden tatsächlich einen Tag vor dem Fest aus der Wohnung. Nun
standen sie buchstäblich auf der Straße und wussten nicht wohin. Da Oma ihnen bereits in den
letzten Jahren immer sehr geholfen hatte, war sie die erste Ansprechpartnerin. Oma war erzürnt
über das Verhalten des Vermieters und versprach sofort zu kommen. Ihrer Tochter Christa erzählte
sie davon aber nichts. Sie wollte ja keine Aufregungen mehr haben. Opa musste also den großen
Mercedes starten und sie machten sich auf den Weg. Irgendwie hatte Oma so etwas schon geahnt.
Vorsorglich hatte sie eine Wohnung in der Kleinstadt gekauft. Davon wusste aber keiner etwas. Auch
dachte die eigentlich, dass Malte als erstes obdachlos sein würde und die Wohnung für sich
gebrauchen würde. Nun als Sabine, Oma war das egal. Sie mochte alle ihre Enkel.
Malte war aber auch unglücklich. Die anderen Bewohner der WG waren über die Weihnachtstage zu
ihren Eltern gefahren. Nun saß er allein in der Wohnung. Zu allem Überfluss war die Gasrechnung
nicht gezahlt. Es war kalt. Und er war mit der Gesamtsituation unzufrieden.
Der Heilige Abend
Am Morgen machte Anna die letzten Vorbereitungen für ihre Abfahrt in den Skiurlaub. Alex
verbrachte die Zeit am Computer und versuchte virtuell Freundschaften aufzunehmen. Er hoffte,
dass ihm dabei die besinnliche Zeit helfen würde. Arno lag entspannt auf dem Sofa und kraulte
Stromer und Staude.
Der Tag ging dahin. Christa wurde immer wehmütiger. Die Familie nicht um sich herum zu haben,
beschäftige sie doch sehr. Ja, sie bereute ihren Entschluss.
Als es dann um die Mittagszeit auch noch anfing zu schneien war ihr klar, dass die Entscheidung
falsch gewesen war. Der Schneefall nahm immer mehr zu. Riesige Flocken tanzten vom Himmel und
verwandelten die Landschaft in eine Traumwelt. Es schneite so stark, dass einige ehrbare Nachbarn
die christliche Erziehung vergaßen und anstatt in die Kirche zu gehen, damit beschäftigt waren,
unablässlich den Gehweg frei zu schippen. Arno hatte dazu keine Lust. Sollte der Schnee doch ruhig
liegen bleiben. Er hatte sich eine motorisierte Schneefräse gekauft und wollte diese am 1.
Weihnachtstag erst einsetzen. Welche Folgen diese Entscheidung haben sollte, konnte er nicht
absehen.
Die Dinge sollten nämlich ihren Lauf nehmen.
In der Wohnung, die Oma gekauft hatte, hatten sich nun Sabine, Chris, Opa und Oma eingerichtet.
Sie saßen am Esstisch und schauten nach draußen. „Schaut euch nur den schönen Schnee an!“, rief
Sabine aus. „Kommt, wir fahren zu Mama. Die wird sich bestimmt doch freuen, wenn wir da sind.“
Die anderen waren einverstanden. Selbst Oma konnte sich mit dem Gedanken anfreunden, in das
Gänsehaus, wie sie gerne abfällig sagte, zu fahren. Opa, der bereits einigen Glühwein genossen
hatte, überließ Chris das Steuer des Mercedes.
Am anderen Ende der Kleinstadt hatte Malte eine ähnliche Idee. Ihm war langweilig. Er fror. Auf zu
Muttern, dachte er sich. Irgendetwas bekomme ich da schon. Außerdem machte die Kneipe, die er
für gewöhnlich am Abend besuchte, erst um 21.00 Uhr auf. Was sollte er also die ganze Zeit tun.
Malte stieg in den verbeulten Astra, den er sich von seinem Ersparten gekauft hatte und fuhr los.
Es kam ein Anruf. Anna ging an das Telefon und sagte nur: „Ok“. Dann schüttelte sie den Kopf und
ging in ihr Zimmer. Mutter Christa ging hinterher und erfuhr, dass die Abreise in den Skiurlaub auf
Grund des Schneetreibens um mindestens einen Tag verschoben worden war. Anna war darüber
natürlich sehr enttäuscht. Allerdings wusste sie ja auch, dass auch die leckeren Jungs noch hier sein
würden. Also wurden Verabredungen für den Abend getroffen.
Auf das Haus der Staudes kamen von beiden Seiten die Fahrzeuge von Chris und Malte zugefahren.
Sehen konnten sie sich jedoch auf Grund des erheblichen Schneetreibens nicht. Bei Maltes Astra
war zudem der linke Scheinwerfer kaputt. Dieser Umstand war ihm seit Tagen bekannt, die Lust,
das zu ändern, hatte er nicht. Die Nachbarn der Familie Staude hatten den Schnee von dem Gehweg
achtlos auf die Straße geworfen. Ein hilfloses Streufahrzeug hatte diese Mengen zu einem großen
Schneehaufen aufgeworfen. Hinter diesem Schneehaufen tauchte Malte mit seinem Astra nun auf.
Chris, der erst jetzt das Auto sehen konnte, erschrak furchtbar. Er trat auf die Bremse, dann auf das
Gas, dann wieder auf die Bremse. Der Mercedes mit Automatik überforderte ihn total. Sabine und
Oma quiekten auf. Opa fand das irgendwie lustig. Endlich passierte mal etwas. Der Mercedes kam
ins Rutschen. Chris kurbelte am Lenkrad und hatte die Gewalt über das Auto doch verloren. Auch
Malte bremste, rutschte und kurbelte. Ein Zusammenstoß war unausweichlich.
Christa, Arno, Anna und Alex bekamen von den Geschehnissen vor dem Haus nichts mit, Noch nicht.
Die Autos drehten sie weiter aufeinander zu. Die Sommerreifen des Astra zeigten zunächst bessere
Eigenschaften als gedacht. Auf dem verschneiten Gehweg nun war es soweit. Der Mercedes stand
fast schon, als er das Heck des Astra dennoch leicht berührte. Diese Berührung jedoch reichte aus.
Malte verfluchte die Sommerreifen als er mit seinem Fahrzeug eine weitere Pirouette einlegte. Der
Wagen stieß mit der Front gegen den Baum, in dem vor einigen Tagen noch Alex gesteckt hatte. Der
Aufprall genügte. Da der Stamm bei der Rettungsaktion fast durchgesägt war, trennte sich nun der
Stamm von dem Baumstumpen und rutschte Richtung Haus. Alle hielten den Atem an. Der Baum
rutschte weiter. Er durchbrach die gläserne Haustür zu der Diele des Hauses, drehte sich und blieb
eingekeilt zwischen Fußboden und Decke stehen. Die Familie, die im Haus war, kam in die Diele
gestürzt und blieb wie angewurzelt stehen. Staude schnatterte aufgeregt um den Baum. Stromer
vergaß seine gute Erziehung und nutzte die Gelegenheit seine Aufregung an einem Baum im Haus
abzubauen. Darauf kam es nun auch nicht mehr an. In der Diele stand der riesige Baum, in dem
noch immer die Lichterkette leuchtete. Es erfolgte ein heilloses Stimmengewirr. Nur Arno blieb
zunächst stumm. Er schaute sich die Szene an und musste dann loslachen. Erst leise, dann immer
lauter. Der Anblick war aber zu komisch. In das Gelächter stimmten zunächst Malte und Opa mit
ein, dann auch Chris, Sabine und Anna. Schließlich lachten auch Christa und Oma laut mit. Nur Alex
hielt sich zurück. Er machte Fotos und schickte die Nachricht in die Welt, an Freunde, die er noch
nicht hatte. Als nun fast alle lachend in der Diele stand, öffnete sich auch noch der Kofferraum des
Astra und eine große Menge an Spaghetti und Soßen fielen heraus. „Ach ja, ich hatte ja noch meinen
Einkauf im Auto“, rief Malte aus. Die Familie schaute sich an und nun ging alles ganz schnell. Opa
und Chris holten Holz und feuerten den alten Ofen in der Diele an. Die Frauen gingen rasch in die
Küche, um das unerwartete Essen zuzubereiten. Malte holte Stühle und Tische und stellte diese in
der Diele neben dem Baum auf.
Nach kurzer Zeit saßen alle an der gedeckten Tafel, aßen, unterhielten sich und lachten. Stromer
macht sich unter dem Tisch über die Steaks her, Staude über die Beilagen. Die Familie wollte auf die
traditionellen Spaghetti nicht verzichten.
„Wieder mal ein richtig schönes Fest“, sagte Arno. Und alle stimmten ihm zu.
Wir wünschen Allen eine ruhige Weihnachtszeit!